Seit Markteinführung vor ca. 10 Monaten meldeten sich etliche Fahrer hier im Forum (es gibt bereits mindestens 25 bekannte Fälle) und klagten über Risse des Antriebsriemens.
Teilweise reißen diese bereits nach 300-1000km Laufleistung. Manche Fahrer erlitten sogar bereits mehrere Riemenrisse. Dadurch ist die Zuverlässigkeit des Fahrzeugs stark eingeschränkt. Längere Ausfahrten sollte man nur unternehmen, wenn man einen Ersatzriemen und das passende Werkzeug an Bord hat.
Nachdem der Importeur sich der Sache bisher nicht angenommen hat, haben wir wir uns nun einmal ausgiebig als Buggy-Club in Gemeinschaftsarbeit mit der BCB Vario beschäftigt.
Die Historie zur Problematik und die anschließende Fehlersuche findet ihr in diesen Threads:
https://buggy-club.de/viewtopic.php?t=5605
https://buggy-club.de/viewtopic.php?t=7785
Um es vorab zu sagen: Es hat sich nicht nur der anfängliche Verdacht eines zu kurzen Antriebsriemens bestätigt, sondern es liegt zusätzlich noch ein grundlegender Konstruktionsfehler im Bereich des vorderen Variators vor.
Bei unseren Überlegungen zur Isolierung des Problems haben wir schlicht und ergreifend ein bekanntermaßen funktionierendes Variomatik System (die Vario eines PGO Bugrider-250) ins Verhältnis gesetzt zur problembehafteten Vario des BCB-300. Dieser Vergleich bot sich an, weil
1. Einige Mitglieder einen PGO fahren.
2. Die Vario des Bugriders in Dimension und Auslegung hochgradig ähnlich ist.
Aber nun zur Erklärung der Problematik:
Ich fang mal vorne an. Ein Variomatik System muss so ausgelegt sein, dass in allen Betriebszuständen ein gleich langer Riemen erforderlich ist. Das gilt für den Standgas Bereich genauso wie für den Vollgasbereich und auch alle dazwischenliegenden Übersetzungen.
Hier schematisch die Riemenscheiben (vorne und hinten) mit Bemaßungen für den PGO Bugrider. Diese Variomatik funktioniert einwandfrei:
Skizze by Hermann
Errechnet man den notwendigen Umfang des Riemens unter Berücksichtigung des ABstands der Wellen zueinander von 265mm, so ergibt sich eine Riemenlänge (äußerer Umfang) von ca. 920mm. Dieser Wert gilt für den Ruhezustand (kleinste Übersetzung) und auch für den Vollgasbereich (längste Übersetzung), sowie für alle dazwischen liegenden Bereiche.
Berechnung by Wolle
Wir haben hier also ein ausgeglichenes System. Die Riemenscheiben sind exakt aufeinander abgestimmt. In allen Betriebszuständen ergibt sich ein gleicher Gesamtumfang des Riemens.
Nun das Vario System des BCB-300 und PGO im Vergleich:
Skizze by Hermann
Der hintere Bereich der Vario ist bei beiden Fahrzeugen in der Auslegung exakt identisch. Das heißt: Innere und äußere Durchmesser der Riemenscheiben sind gleich und auch der Grad der Öffnung (Verstellbereich) ist identisch.
Logischer Weise kann also auch an dieser Stelle der Fehler nicht zu finden sein.
Interessant wird es dann freilich beim vorderen Variator. Während auch hier zwar der Verstellbereich und auch der äußere Durchmesser der Riemenscheiben noch identisch ist, findet sich eine kleine (aber fatale ) Abweichung beim Innendurchmesser.
CFMoto (Hersteller des BCB Motors) hat den Innendurchmesser dieser vorderen Riemenscheibe nämlich verkleinert. Um genau zu sein von 52mm auf 44mm.
Das hört sich zwar im ersten Augenblick nicht sonderlich dramatisch an, wenn man jedoch nun hingeht und einmal die Riemenlänge errechnet, die sich für den Ruhezustand gegenüber dem Vollgasbereich ergibt, dann wird das Ausmaß dieser Veränderung schnell klar.
Bei einem Wellenabstand von 245mm ist im Ruhezustand eine Riemenlänge von 868mm erforderlich während im Vollgasbereich eine Riemenlänge von 880mm erforderlich ist.
Berechnung by wfhgad
Das darf so natürlich nicht sein. Die Maße müssen bei einer gesunden Vario in allen Betriebszuständen identisch sein. !
Mit anderen Worten: Das gesamte System ist durch die Änderung schlicht und ergreifend aus der Balance geraten.
"Na wie kann das denn jetzt" werdet Ihr euch denken. Ehrlich gesagt, denke ich mir das auch immer wieder bei all den Fehlern an unseren Fahrzeugen, die hier im Buggy-Club auftauchen.. Nach europäischen Standards mit den üblichen Kontrollmechanismen und den vielen Verifizierungsmaßnahmen ist so etwas schier undenkbar. Solche grundlegenden Fehler würden in der Entwicklungsphase schon lange vor Serienfertigung aufgedeckt. In China läuft das aber alles etwas anders. Jeder kopiert von Jedem. Spätestens nach der dritten Kopie einer Kopie weiß man gar nicht mehr was man da überhaupt kopiert. Man muss gar kein Fachmann sein oder die Zusammenhänge des jeweiligen System verstehen. Man kopiert, man ändert ein wenig... es wird schon irgendwie klappen.
Aber nun wieder zum Thema...
Mit ein wenig Phantasie kann man sich zusammenreimen, wie das abgelaufen ist:
Irgendwann, als der BCB Motor in der Entwicklung fast fertig war, fehlte nur noch ein in der Länge passender Riemen. Derjenige, der den Umfang für den Riemen bestimmen wollte, konnte nicht wissen, dass die Vario einen Konstruktionsfehler enthält. Er ist wie immer hingegangen und hat das Maß für den passenden Riemen bei stehendem Motor berechnet. Er hat seinen Job auch richtig gemacht. Er ging einfach davon aus, dass die Riemenlänge auch für den Vollast-Bereich passen wird, wie bei allen normalen Varios halt.
Leider falsch gedacht. In Übersetzungsbereichen bis kurz unter Vollgas passt dieser Riemen zwar tatsächlich aber wenn die Variomatik voll ausfährt, wird der Riemen zu kurz. Er zieht sich dann, wie ich bereits vermutet hatte in den hinteren Spalt zwischen den beiden Riemenscheiben, läuft quasi auf der Kante, hat dadurch auch nur eine sehr geringe Auflagefläche und dazu natürlich auch noch ziemlich starken Schlupf.
Und überlegt mal: Der Spalt ist 20mm breit. Der Riemen 24,2mm. Aber nur ganz außen. Innen ist er durch die Keilform viel schmaler. Dazu steht er auch noch auf Spannung. Also verschwindet er (zumindest teilweise) bei jeder Vollgasfahrt im Spalt und wird dort langsam aber sicher zerstört.
Ein Indiz hierfür sind gebrauchte BCB Riemen. Sie zeigen innen viel stärkeren Verschleiß als außen. Ein weiteres Indiz für ein teilweises Laufen im Spalt ist das Bild vom Heinz, wo sich der Gummiabrieb ausschließlich hinten im Gehäuse befindet.
Und richtig schön finde ich diese Bilder von schraubermichel:
Bilder by schraubermichel
Hier nun noch ein Foto, das die Deformation des Riemens veranschaulicht (dieser Riemen ist gebraucht). Durch die ewige Spannung und auch durch die Tatsache, dass der Riemen nur auf dem äußeren Durchmesser anliegt, verformt er sich.schraubermichel hat geschrieben:Man beachte den Spalt zwischen Keilriemen und Riemscheibe , in diesem Bereich kann der Riemen nur auf 6mm die Kraft übertragen .Die restlichen 5mm vom Keilriemen sind über die Lauffläche der Riemscheibe hinaus .
Das ganz große Problem an dieser Sache ist, dass man sich mit einem solchen BCB-Buggy die allermeiste Zeit in Geschwindigkeitsbereichen befindet, bei denen die Vario ganz ausgefahren ist und der Riemen zerstört wird... nämlich nahe der Höchstgeschwindikeit
Wie schafft man denn nun Abhilfe und was ist als nächstes zu tun?
1. Ein längerer Riemen muss her. Unsere BCB Vario benötigt tatsächlich einen Riemen um die 880mm. Auch die Breite muss passen (24,2mm). Das ist unumgänglich und ganz wichtig. Solch einen Riemen muss SB besorgen. Ich glaube nämlich nicht, dass es so etwas einfach im Laden zu kaufen gibt. Man könnte mal stöbern, ob irgendein Zubehör-Riemen passt oder ein Riemen eines anderen Motors zufällig diese (oder sehr ähnliche Maße aufweist.
Da aber dieser längere Riemen dann durch das fehlende Gleichgewicht in der Vario widerum im Ruhezustand zu lang sein wird muss zusätzlich noch
2. Die Vario vorne geändert werden um das Gleichgewicht herzustellen. Der wirksame Innendurchmesser muss rauf. Und zwar auf exakt das Maß der Kymco Vario. Im Grunde genommen könnte man ganz einfach den gesamten Variator (innen + stehende Scheibe außen) vom Kymco Motor nehmen (er passt tasächlich einfach so auf unseren BCB, das wurde schon getestet).
Oder (und das ist natürlich die endgültige und auf Dauer wirklich gangbare Lösung) die Chinesen überarbeiten ihr Teil, so dass es fehlerfrei wird. Es ist dabei unbedingt zu beachten dass die äußere Weite (23mm) sich nicht verändert und auch der Verstellbereich (20mm) muss identisch bleiben.
3. Die gesamte hintere Vario inkl. Kupplung kann (und muss sogar) unverändert bleiben
Ich würde unbedingt erst einmal einen praktischen Feldversuch empfehlen. Auch wenn wir uns zu 99% sicher sind, die Ursache für die Probleme gefunden zu haben, sollte man dies unbedingt in einem Praxistest verifizieren.
Am einfachsten wäre es, wenn SB 2-3 Vielfahrern hier aus dem BC eine komplette Kymco Vario inkl. dem zum BCB passenden 880mm langen Riemen kostenlos zur Verfügunmg stellt.
Wenn sich damit 4000-6000 km ohne Riss abspulen lassen, dann haben wir die Bestätigung, dass diese Lösung tatsächlich funktioniert und dann kann man auch bei CFMoto bzw. TBM mit der adäquaten Härte und dem nötigen Selbstbewusstsein auf den Tisch hauen.
Die Folgen insgesamt sind für sharkbuggy zwar relativ unangenehm (Austausch von 300 kompletten vorderen Variatoren + Antriebsriemen), im Hinblick auf die Zukunft dieses Fahrzeugs, die Zufriedenheit der Kunden und vor allen Dingen auch für die erforderliche Zuverlässigkeit unserer Fahrzeuge ist das einfach unabdingbar. Es liegt hier immerhin mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gewährleistungspflichtiger und vor allen Dingen seit Heute auch ein bekannter Konstruktionsmangel vor, der behoben werden muss.
Die erste dringende Aufgabe für Sharkbuggy ist also nun eine schnellstmögliche Beschaffung eines 880er Riemens mit 24,2 mm Breite, sowie von passenden Variatoren inkl. äußeren Riemenscheiben für 2-3 Fahrzeuge damit Tests gefahren werden können.
Dazu sollte SB nun möglichst schnell auch einmal ein Statement abgeben.
Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden für die tatkräftige Unterstützung (messen, vergleichen, rechnen, Zeichnen usw), die dazu geführt hat, dass wir höchstwahrscheinlich ein Problem nach nur 3 Tagen isolieren konnten, welches SB in einem Jahr nicht gelöst hat.
PS: Wer weiß, ob die Buggies mit vernünftiger Vario nicht am Ende sogar schneller werden. Denn wie gesagt, dürfte der Riemen im Vollgas Bereich einiges an Schlupf haben, da er nur auf der Kante läuft. Wie sieht es aus, wenn dieser Schlupf verschwunden ist?
PPS: Dürfen die Mitwirkenden des Buggy-Clubs eine Rechnung an SB schicken mit den üblichen Stundensätzen von Ingenieurbüros, die normalerweise solche Fehleranalysen in Auftragsarbeit übernehmen?